Die zweiten 2×11 Jahre (1974-1995)

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Kehren wir also ins Jahr 1974 zurück. Die Roten Funken hatten sich als fester Bestandteil in der Neunkircher Fassenacht etabliert, sie waren Mitbegründer des NKA und konnten auch dort personelle und programmliche Akzente setzen. Das 2×11 jährige Jubiläum war vergangen und im Verein kam es zu einem ersten größeren Umbruch. Einige der verdienten Gründungsmitglieder und engagierten Funken zogen sich in den Hintergrund zurück oder beendeten ihre karnevalistische Karriere.

Richard Martin übernahm von Dr. Hans Manderscheid den Vorsitz des Vereins. Nachfolger von Josef Jochem im Amt des Elferratspräsidenten wurde Karl-Josef Meiser. Mehr als 25 Jahre sollte er wie kein anderer den Verein dominieren und prägen, nicht nur als Elferratspräsident sondern auch als Leiter der Büttenredner.

1973 hatte sich eine neue Gesangsgruppe bei den Roten Funken gegründet, die Thekensteher. Gründungsmitglieder waren neben Karl-Josef Meiser, Peter Hemmer, Günter Bogler und Horst Scherschel. Im Jahre 1974 dann der gefeierte erste Auftritt, dem noch mehr als 100 weitere folgen sollten. Mit einem Gesangsrepertoire von mehr als 250 Liedern, die jedes Jahr auf die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse zugeschnitten wurden, war diese Gesangsgruppe 25 Jahre lang eines der prägenden Elemente in den Sitzungen der Roten Funken.

Groß geschrieben wurde im Verein auch die Nachwuchsarbeit. So bestand die Kindergarde 1977 aus 51 Kindern. Auch der Fanfarenzug wuchs weiter und entwickelte sich unter der Leitung von Rudolf Eiden prächtig. Er war, wie schon zu Beginn der Gründerjahre, ein Aushängeschild des Vereins und weit über die Grenzen des Saarlandes bekannt.

Ein weiteres Aushängeschild der Roten Funken waren die Büttenredner: Friedhelm Blügel, Georg Weiß, Ernst Clos, Franz Wilhelm Knichel, Wilhelm Leibrock, Klaus Nonnenmacher, Franz Josef Urschel, und Peter Meiser waren Büttenasse, die zum Ruf Neunkirchens als Büttenstadt maßgeblich beigetragen haben. In unvergessenen Rollen wie „Flade und Flappes“ oder „Wendalinus Weihrauch“, mit enormen Aufwand und geschliffenen Reden setzten sie sich für alle Zeiten ein Denkmal.

Die Kappensitzungen der Roten Funken entwickelten sich zu absoluten Höhepunkten der Neunkircher Faasenacht, die Sitzungen bebten vom Lachen, Singen und Schunkeln der Zuschauer. Jürgen Wagner hatte ab 1979 von seinen Vorgängern Manfred Schneider und Hans Bogler das Amt des Bühnenbildners übernommen. Er stand ihnen in nichts nach und sorgte beim Publikum für andächtiges Staunen, wenn der Vorhang geöffnet wurde. Die Kulisse der Roten Funken hatte in diesen Zeiten die Qualität eines Theaterbühnenbildes und die Mottos der damaligen Zeit, die in den Orient, zu den Indianern, nach Venedig oder Mexico führten, waren wie geschaffen für herausragende Werke. Die artistischen Schautänze der Garden gingen mit dem künstlerischen Bühnenbild eine Symbiose ein und brachten es so zum Leben, was beim Publikum regelmäßig für Begeisterungsstürme sorgte. Verantwortlich dafür waren die Trainerinnen Monika Gimmler, Anni Leiser, Heidi Eiden, Antonia Meiser, Gabi Sieren, Monika Knichel, Karin Kempf, Gabi Behr und Christine Schneider.

1980 hatte Richard Martin den Vorsitz des Vereins in die Hände von Holger Westermann gegeben, der die Roten Funken 1983 in ein eigenes Vereinsheim im Langenstrich und 1984 in das 3×11 jährige Jubiläum führte. Man konnte zu diesem Zeitpunkt ein positives Fazit ziehen. Hatte sich der Verein doch im Wettbewerb mit den anderen Karnevalsgesellschaften der Stadt einen hervorragenden Platz erobert. Insgesamt bot man zu dieser Zeit 11 Veranstaltungen an, darunter drei Kappensitzungen.

1986 zog man mit den Sitzungen in das neu gebaute Bürgerhaus um. Das Kolpinghaus, lange Jahre närrische Heimat der Roten Funken, war Geschichte. Doch auch in der neuen Umgebung gelang es den Funken sich an die Gegebenheiten der Zeit anzupassen. Karl-Josef Meiser sprach zu Recht davon, dass man die Zeichen der Veränderung erkennen müsse: Die Faasenacht verschob sich von einem Gesellschaftsereignis zu einem geselligen Ereignis. Damit war die Kostümkappensitzung geboren, gewissermaßen der bunte Gegenpol zu den Prunk- und Galasitzungen der vergangenen Jahre. Die Kostümsitzung ist die einzige Form, die bei den Funken die Jahre bis heute überdauert hat.

Ab 1986 bis 1988 leitet Heinz Gillenberg den Verein als Vorsitzender und übergab das Zepter dann an Franz Werner Ludwig, der bis 1993 den Vorsitz führte. Es waren stürmische Zeiten, sowohl aufgrund äußerer wie innere Einflüsse. 1990/91 entfielen aufgrund des Golfkrieges zahlreiche Sitzungen in der Neinkerjer Faasenacht und auch der Rosenmontagszug fand nicht statt. Der Veranstaltungskalender der Roten Funken war indes merklich geschrumpft: Alte Gruppierungen wie die Funkengardisten waren schon länger verloren gegangen, das Publikum und seine Ansprüche hatte sich, auch bedingt durch das Fernsehen, verändert. 1993 hieß das Motto dann „…das ist die Berliner Luft“. Doch bei den Roten Funken herrschte keine Berliner, sondern dicke Luft. Auch das gehört zu der Geschichte eines Vereins dazu und soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Aufgrund von Turbulenzen und Streitigkeiten ging der Stolz der Roten Funken, der Fanfarenzug, verloren und Franz Werner Ludwig legte sein Amt als Vorsitzender des Vereins nieder.

Peter Wirges übernahm mit einem größtenteils neubesetzten Vorstand. So konnte man im Jahre 1995 unter Aufbietung neuer, aber auch alter Kräfte 4×11 Jahre Rote Funken feiern und sich, wie es in der Saarbrücker Zeitung vom 22. Februar 1995 hieß, „unbeschwerter Heiterkeit“ hingeben.

In den nun kommenden Jahren sollten die Roten Funken noch einmal an alte Glanzzeiten anknüpfen, bevor der Jahrtausendwechsel zu einer erneuten, ernsten Krise des Vereins führen sollte. Doch dazu in kürze mehr.

Archivar Alexander Müller-Benz